Der erste Weg am Stuttgarter Hauptbahnhof führte zur Bahnhofsmission. Dort erklärten der Zivildienstleistende und die Chefin, dass sich jeder, der Hilfe braucht am Bahnhof immer an die Mitarbeiter der Bahnhofsmission wenden kann. Entstanden ist die Einrichtung als Hilfe für Frauen, die früher zum Arbeiten vom Land in die Stadt kommen mussten und mit dem Zug oft nachts ankamen, ohne ein Quartier zu haben. Noch heute können Frauen dort eine Nacht schlafen, wenn zum Beispiel ihr Zug so viel Verspätung hatte, dass sie ihren Anschluss nicht erreichen konnten. Die Bahnhofsmission ist Anlaufpunkt für alle, die sich vielleicht am Bahnhof verirrt haben und sie kümmert sich auch um Kinder, die alleine reisen müssen.
Kurz schaute sich die Gruppe den Bauzaun vor dem Nordausgang des Bahnhofs an, der mit vielen Sprüchen, Bildern, sogar Teddybären oder Blumen behängt war. Die Kinder erfuhren, dass sich an dieser Stelle diejenigen treffen, die gegen das Projekt Stuttgart 21 sind, bei dem der Bahnhof unter die Erde verlegt wird. Der ursprünglich angesetzte Gang auf den Bahnhofsturm musste leider entfallen, da die Zeit schon etwas fortgeschritten war, wobei der Großteil der Kinder bereits in den Ferien dort gewesen war oder das ohnehin noch mit der Familie auf dem Programm stand. Gestärkt nach einer kleinen Vesperpause in einem Besprechungsraum bei Gleis 16 warteten lauter Dinge auf die Kinder, die „Normalsterblichen“ sonst verwehrt sind. So ging es zunächst auf einem Weg, den nur Eisenbahner nehmen dürfen, unter den Gleisen hindurch zu Gleis 4. Dort durften die Kinder kurz in den Führerstand eines Regionalzugs, der sich bald danach auf seinen fahrplanmäßigen Weg machte. Dann kam die Durchsage „Achtung, es fährt ein der TGV aus Paris“. Der „train à grande vitesse“, der französische Hochgeschwindigkeitszug verbindet Paris und Stuttgart viermal am Tag miteinander. Es gab englische, französische oder japanische Sprachfetzen aufzuschnappen, als die bunte Fahrgastmenge aus dem Zug strömte. Dann wurde es spannend, denn die Kinder durften exklusiv mit auf den Abstellbahnhof fahren, wo der Zug innerhalb einer Stunde komplett gereinigt und für die Rückfahrt nach Paris fertig gemacht wird. Umgehend nahmen sie die lila-orange-farbenen Sitze ein und widmeten sich u.a. den ausliegenden französischen Zeitungen. Manch ein Teilnehmer wusste schon, dass der TGV den Rekord mit 574 Stundenkilometern hält, einer Geschwindigkeit, die aber nicht mit Fahrgästen an Bord gefahren werden kann. Immerhin erreicht der Zug in Frankreich auf manchen Streckenabschnitten im täglichen Betrieb aber 350 Stundenkilometer.
Im Abstellbahnhof am Rosensteinpark angekommen, gab es zunächst die grell leuchtenden Warnwesten und wieder einige Sicherheitshinweise, damit man sich zwischen den vielen nah beieinander liegenden Gleisen und dem ständigem Kommen und Gehen der Züge nicht in Gefahr begibt. In zwei Gruppen durften die Kinder dann mit Sven und Jan, zwei Eisenbahnern aus vollem Herzen, bis ins „Innerste“ vordringen. Das hieß, dass sie eine E-Lok komplett bedienen durften – das war im Simulationsbetrieb möglich. Es wurden die Knöpfe gedrückt für den Aufbau des erforderlichen Luftdrucks, der Geschwindigkeitshebel bedient, der Autopilot oder auch die Scheibenwischer ein- und ausgeschaltet und vor allem, die Sicherheitsschaltung per Fuß oder Hand ausgelöst, mit der der Lokführer alle 30 Sekunden anzeigen muss, dass er das Fahrzeug noch führt. Kaum hatte der momentane kleine Lokführer dies einmal vergessen, wurde eine Notbremsung eingeleitet und die Systeme heruntergefahren – zack, aus, eine Maschinenstimme sagte „Störung“. Da war die kleine knallbunte Rangierlok schon gnädiger, die die Kinder dann so richtig auf der Schiene hin und her fahren durften – und nach Herzenslust hupen.
In der richtigen Eisenbahnerkantine mit Blick auf eine alte Lok durch die eine und auf einen modernen Personenzug durch die andere Fensterseite lud der SPD-Ortsverein die jungen Besucher zu einer Roten mit Pommes und Getränk ein und so langsam machte sich ein wenig Müdigkeit breit, denn es war schon ein dichtes Programm gewesen, das die Benninger Sommerferienprogrammteilnehmer hinter sich gebracht hatten. Mit vielen, auch ungewöhnlichen Detailinformationen versorgt machte sich die Gruppe, die mit ihrer Aufmerksamkeit und ihrem Interesse auch den beiden Begleiterinnen Ilse Käß und Petra Kutzschmar viel Freude gemacht hatte, wieder auf den Nachhauseweg. „Der TGV war nicht schlecht, aber die kleine bunte Lok war richtig cool“, so die Kommentare der jungen Ausflügler. „Ich glaub, mein Papa will nächstes Mal auch mit, wenn er die Bilder sieht“, meint Emily noch, bevor sich alle an Gleis 1 in Benningen verabschiedeten.